Ein Gespräch mit Frau Dr. Heike Spieker zum Operationsplan Deutschland und der Rolle des Deutschen Roten Kreuzes
Frau Dr. Heike Spieker ist Expertin im Bevölkerungsschutz und leitet im Generalsekretariat des Deutschen Roten Kreuzes den Bereich der Nationalen Hilfsgesellschaft.
Frau Dr. Spieker, wenn Sie auf die letzten Jahre im Bevölkerungsschutz zurückblicken – was war für Sie ein Schlüsselmoment, der gezeigt hat, dass Deutschland strukturell umdenken muss?
Das war für mich ein sehr persönlicher Moment: Im April 2021 wurde ich vom DRK-Generalsekretariat zum Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) abgeordnet. Dort wurde mir klar, wie eng Zivilschutz und Katastrophenschutz miteinander verflochten sind – obwohl das BBK eigentlich nur für den Zivilschutz zuständig ist, erlebte ich dort eine starke Durchmischung mit Aufgaben des Katastrophenschutzes.
Nur drei Monate später, im Juli 2021, ereignete sich die Flutkatastrophe im Ahrtal – in unmittelbarer Nähe zum BBK. Plötzlich stand der Katastrophenschutz im Fokus. Es wurde die Frage laut: Welche Zuständigkeit hat das Bundesamt eigentlich? Nüchtern betrachtet: keine – denn es verantwortet primär den Zivilschutz. Doch im Alltag war das kaum erkennbar.
Das hat mir gezeigt, wie komplex unser System ist – und dass es in Zukunft so nicht mehr funktionieren wird. Ich sage nicht, dass wir neue Zuständigkeitsverteilungen brauchen, aber wir können nicht mehr so strikt zwischen Katastrophen- und Zivilschutz unterscheiden. Wir müssen den Zivilschutz stärken.
Wir dürfen nicht erwarten, dass alles gut läuft, ohne dass wir Entscheidungen treffen. Je länger wir zögern, desto größer wird der Druck – und das Leid.
Kommen wir zum Kern: Was ist der Operationsplan Deutschland und warum brauchen wir ihn heute?
Lange lebten wir in dem Gefühl, als Land inmitten Europas und von Freunden umgeben zu sein. Doch inzwischen ist klar: Es gibt Staaten in unserer Nachbarschaft, die bereit sind, Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele einzusetzen.
Wenn wir uns als Gesellschaft nicht machtlos fühlen wollen, müssen wir in der Lage sein, uns zu verteidigen – oder zumindest glaubhaft abschrecken zu können. Die Bundeswehr plant daher, wie eine militärische Verteidigung oder Unterstützung von Partnerstaaten aussehen könnte.
Dazu gehört aber auch die zivile Verteidigung, deren vierte Säule der Zivilschutz ist. Der Operationsplan Deutschland bildet genau diese militärische Planung ab – für den Fall, dass Deutschland sich verteidigen oder militärisch unterstützen muss.
Aktuell prüft die Bundeswehr, welche Teile dieses Plans für zivile Akteure zugänglich gemacht werden können, damit sie sich gezielt vorbereiten können.
Welche Rolle spielt das Deutsche Rote Kreuz in diesem Kontext – speziell in der zivil-militärischen Zusammenarbeit?
Das DRK ist nicht nur eine Hilfsorganisation, sondern auch eine Zivilschutzorganisation. Und der Zivilschutz ist ein zentrales Element der zivilen Verteidigung.
Unsere Aufgabe ist es, unsere Strukturen an die veränderten Anforderungen anzupassen. Das heißt auch: langjährige Abläufe überdenken, ohne dass jemand etwas „falsch“ gemacht hätte – die Welt hat sich einfach verändert.
Wir müssen uns so aufstellen, dass wir unseren Auftrag auch künftig professionell erfüllen können.