LIGA-Fachtag „Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII" am 17. November 2025
Kaum eine Woche vergeht, in der nicht das Telefon klingelt oder eine E-Mail aufploppt – auf der Suche nach Hilfe. Pflegebedürftige Anspruchsberechtigte bangen um die Finanzierung ihrer Pflege. Es ist eine Binsenweisheit: Es ist ein Unterschied, recht zu haben und Recht zu bekommen. Auch die Mühlen der Sozialgerichte mahlen langsam. Der Arbeitsalltag der Betreuerinnen und Betreuer ist eng getaktet, und der Wunsch ist groß, Menschen auf dem Weg zu einem gelungenen Leben zu unterstützen. Es gibt Beeinträchtigungen, die nicht rückgängig gemacht werden können, aber es gibt Mittel und Wege, um am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.
Eine ungeklärte Finanzierungssituation lässt Helfende hilflos zurück. Das ist schwer zu ertragen, möchten sie doch Brücken bauen und Barrieren überwinden. Gesetzliche Ansprüche sind keine Almosen, die nach Bedarf gewährt werden, sondern Ausdruck eines gesellschaftlichen Konsenses, der sich in der Gesetzgebung widerspiegelt. Diese Ansprüche dürfen nicht nach Kassenlage begrenzt werden. Das Zögern und sich Winden beim Genehmigen von Anträgen bindet nicht nur Ressourcen der Kostenträger, sondern auch der Betreuerinnen und Betreuer – und nicht zuletzt des Anspruchsberechtigten. Die Frage nach der Verantwortung läuft ins Leere und belastet das Miteinander. Es hat etwas von einem gordischen Knoten, den zu lösen sich niemand traut.
Innerhalb der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege hat diese Situation die Mitglieder fachausschussübergreifend nicht in Ruhe gelassen. Über einen Fragebogen wurden Sachverhalte abgefragt und ausgewertet. Es wurde reiflich überlegt, welcher Schritt geeignet wäre, dieser Misslichkeit zu begegnen. Schließlich war die Idee eines Fachtages „Hilfe zur Pflege“ geboren. Mit Rechtsanwältin Dr. jur. Melanie Arndt wurde eine ausgewiesene Expertin gewonnen, die die Leistungserbringer zu diesem Thema berät. Sie hatte sich bereit erklärt, die eingereichten Fragen und Problemstellungen zu sichten und etwas Licht ins Dickicht zu bringen.
Am 17. November 2025 war es so weit. Über 150 Teilnehmende nahmen online an diesem Fachtag teil. Der Vormittag stand im Zeichen der stationären Pflege, der Nachmittag war den ambulanten Diensten gewidmet. Jan-Hendrik Hartlöhner, Geschäftsführer des DRK-Landesverbandes M-V und derzeitiger LIGA-Vorsitzender, begrüßte die Teilnehmenden und dankte den Mitwirkenden. Er unterstrich die Dringlichkeit des Themas, das uns besonders herausfordert, die uns anvertrauten Menschen auf ihrem Weg zu Teilhabe und einem gelungenen Leben zu begleiten.
Nach den einführenden Worten begann der fachliche Teil mit einem Überblick über das sozialrechtliche Dreiecksverhältnis zwischen Pflegebedürftigen, Leistungserbringern und Sozialhilfeträgern. Frau Dr. jur. Melanie Arndt verstand es, dieses abstrakte Gefüge anschaulich zu entwirren und die Verantwortlichkeiten zu verorten. Wer zahlt was – und vor allem: wann? Das blieb eine der zentralen Fragen des Tages.
Im Anschluss stand das Antragsverfahren für die Hilfe zur Pflege im Mittelpunkt. Viele Teilnehmende berichteten aus ihrer Praxis von langwierigen Abläufen und unterschiedlichen Verfahrensweisen der Kommunen. Frau Dr. jur. Melanie Arndt gab praxisnahe Hinweise, worauf zu achten ist und wie eine zügige Bearbeitung unterstützt werden kann. Besonders betont wurde die Bedeutung vollständiger Unterlagen und einer offenen Kommunikation zwischen Trägern, Betreuern und Sozialämtern.
Ein wiederkehrendes Thema war das Ausbleiben oder die verspätete Zahlung durch den Sozialhilfeträger. Hier wurden konkrete Empfehlungen gegeben, wie Leistungserbringer ihre Ansprüche sichern können, ohne die Beziehung zur Verwaltung zu belasten. Mahnverfahren sollten nicht als Drohkulisse, sondern als geordnetes Instrument der Rechtsdurchsetzung verstanden werden.
Auch schwierige Situationen wurden nicht ausgespart: Was geschieht beim Tod des Pflegebedürftigen? Welche Ansprüche bestehen fort, welche Pflichten enden? Die Referentin erläuterte, wie rechtzeitig und sensibel vorzugehen ist, um die rechtlichen und finanziellen Folgen geordnet zu klären. Frau Dr. jur. Melanie Arndt nahm Bezug auf die aktuelle Rechtsprechung und erläuterte, weshalb ambulante Einrichtungen nach § 19 Abs. 6 SGB XII weiterhin benachteiligt sind, denn die Sonderrechtnachfolge ist hier nicht anwendbar.
Ein weiterer Schwerpunkt lag auf dem richtigen Handeln im Verhältnis zum Sozialhilfeträger. Viele Teilnehmende äußerten den Wunsch nach mehr Augenhöhe und Verlässlichkeit in der Zusammenarbeit. Hier wurde deutlich: Es braucht Vertrauen, Transparenz und die Bereitschaft, Konflikte sachlich zu lösen.
Zum Abschluss folgte ein Update zu den Investitionskosten, einem Dauerbrenner in der Finanzierung stationärer Pflege. Frau Dr. Arndt erläuterte, welche Veränderungen sich aus der jüngsten Rechtsprechung und der Landesgesetzgebung ergeben und wie sich diese in der Praxis auswirken.
Abgerundet wurde der Tag durch praktische Hinweise zum Umgang mit offenen Forderungen. Ein gutes Mahnwesen – so das Fazit – ist kein Zeichen von Misstrauen, sondern Ausdruck professionellen Handelns.
So endete der Fachtag mit dem Gefühl, dass viele drängende Fragen zwar nicht endgültig gelöst, aber in einem gemeinsamen Verständnis weitergedacht wurden. Es war ein Tag, der Mut machte, dranzubleiben – für die, die Hilfe leisten, und für die, die auf Hilfe angewiesen sind.
